Prof. Franz E. Schilke

von Rüdiger und Alexander Schilke

Zu seinem   70sten Geburtstag im Dezember 2014 wollen wir, seine beiden Söhne, über unseren Vater Franz Eckehard Schilke schreiben, sein bewegtes berufliches Leben skizzieren und Revue passieren lassen, was so alles geschah, an dem wir teilhaben durften.

Er hat uns hier – im wahrsten Sinn des Wortes – sehr viel geboten!

Wir erlebten unseren Vater als inspirierten Kunstschaffenden, seine Hinwendung zu Farben und Formen begeisterte uns sehr, speziell wenn wir bei der Gestaltung mitwirkten. Seine bleibenden Kunstwerke sind feste Bestandteile unseres täglichen Lebens geworden.

Als Söhne einer praktizierenden Ärztin und eines freischaffenden Künstlers waren wir sogar in dem damals kulturell lebendigen Schwabing privilegiert. Nicht jeder fuhr in einem betagten, aber glänzenden Rolls Royce mit der Familie regelmäßig auf Reisen, wie unser Vater.

Er trat damals an, die Stilrichtungen der Moderne neu zu definieren und durchlebte die abstrakten Kunstphasen in immer wechselnden Stilvarianten bis hin zu Schütt- und Tropfinstallationen eines Jackson Pollock, unter dessen Einfluss er labyrinthisch verschlungene Skulpturen schuf, die er in heftig bewegte Bildornamente verwandelte, die ganz offenkundig auch Einblick in die menschliche Psyche gaben, mit lebendigen Empfindungen der Freude, der Lust und des Vergnügens, aber auch durchzogen von Trauer und Schmerz. Um seine Vorstellungen  noch eindrucksvoller festzuhalten, schüttete und sprühte er Farben auf die am Boden liegenden Leinwände, Gläser, Bretter oder Installationen, so dass sich ständig ändernde Strukturen, Rhythmen und Muster aus den Farbflüssen bildeten, die uns immer wieder auf Grund ihrer Farbigkeit und Dreidimensionalität beeindruckten.

In seiner zeitweisen Abkehr vom abstrakten Expressionismus amerikanischer Prägung kam er der Pop Art Warhols, Oldenburgs oder Lichtensteins näher, lehnte sich in dieser gegenständlichen Phase auch an die Ausdrucksformen Schieles, Dalis oder Picassos an; er schuf in dieser experimentellen Zeit leidenschaftliche Bildwelten. Dabei griff er häufig tägliche Geschehnisse und Empfindungen in seinen Werken auf, ließ sich von seiner Phantasie in dem Atelier über den Dächern Schwabings treiben.

Der Ruf in die Vereinigten Staaten 1977, verbunden mit einer Honorarprofessur für Kunst, ermöglichte es ihm, noch mehr Freiräume im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu suchen und zu finden. Diese Hinwendung ließ neue Welten entstehen, in denen er Abstraktion und Realismus vermischte und sich damit ständig neu erfand. Nach einem Jahr in den USA kam er nach München zurück, sah hier allerdings keine wirkliche Herausforderung in der darstellenden Kunst, unternahm deshalb eine Reise rund um die Welt. Dabei erkannte er sehr schnell, dass die Wertegemeinschaft überall ähnlich funktioniert und die Unterschiede selbst in der Kunst leider nur marginal sind. Schon damals waren die intellektuellen Schichten international eng vernetzt.

Das Ende seiner Malerei – falls er sie jetzt nach 35 Jahren nicht wieder aufgreifen sollte – bildeten die Übermalungen bereits fertiger Werke in einem einzigen Farbton, um sich damit nicht mehr neu  erfinden zu müssen. Dies kam einem Abschluss gleich, den wir sowie viele seiner damaligen Freunde sehr bedauerten.

Seine künstlerische Ader verleiht er seitdem in verschiedensten Projekten Ausdruck. Somit ist die Kunst bis heute ein wesentlicher Bestandteil seines Lebens geblieben. Er entwickelte sich über den reinen Kunstschaffenden hinaus und begeistert uns mit der ihm eigenen Kreativität immer wieder aufs Neue.

Ganz anders begann die zweite berufliche Phase unseres Vaters, als er 1980 das oberbayerische Wasserschloss Schwindegg erwarb und sich spontan entschloss, die vom totalen Verfall bedrohte Renaissance-Anlage zu sanieren und in ein Kondominium umzuwandeln. Die Aufgabe war eine echte Herausforderung und bestand darin, in die gewaltige 1594 erbaute Substanz 23 Eigentumswohnungen zu integrieren, eine Bank zu finden, die bereit war, das Wagnis zu finanzieren, Bauherren zu begeistern das Engagement mitzutragen und einen Generalübernehmer zu akquirieren, der in der Lage war, die umfassenden Sanierungs- und Umbauarbeiten durchzuführen. Auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Ankauf wurde unter der Mitwirkung des Bayerischen Generalkonservators eine beeindruckende Einweihungsfeier zelebriert und die Leistung gefeiert. Wir selbst wohnten mehrere Jahre in einer der großzügigen Wohnungen und waren begeisterte Schwindegger. Erst kürzlich erklärte der Bürgermeister in seinem Vortrag „Vom Ritterschloss zur Philosophenresidenz“, dass es für die Gemeinde ein Glücksfall war, dass Prof. Franz Schilke das ma­rode Schloss sanierte.

Bereits 1981 erwarb unser Vater Schloss Possenhofen am Starnberger See, in dem einst Kaiserin Elisabeth ihre glückliche Kindheit verbrachte. Auch diese Schlossanlage war vom totalen Verfall bedroht. Die Aufgabe war keinesfalls leichter als jene in Schwindegg, weil der Quadratmeterpreis über 10.000 DM lag und demzufolge die großen Wohnungen mehr als 2.000.000 DM kosteten. Damit war Possenhofen damals das teuerste Kondominium weltweit. Das Schloss wurde in der Folge unter der Leitung unseres Vaters beispielhaft saniert. 2009 schrieb The Royal Travel bewundernd. „In 1981 the Castle was bought by Prof. Franz Schilke who restored it to its former Glory.”

Schloss Weyhern,  im Landkreis Fürstenfeldbruck gelegen,  war 1983 eine weitere Erwerbung. Die vierflügelige Anlage,  von Klenze und Metivier Mitte des 19. Jahrhunderts renoviert und durch Decken und Wandmalereien von Joseph Anton Schwarzmann verschönert, stand seit Jahrzehnten leer. Große Teile der Dacheindeckung waren verrottet und das Erdgeschoss bereits vom Mauerschwamm befallen. Die Rettung kam buchstäblich in letzter Minute. Heute bewohnen dank des vorbildlichen Engagements unseres Vaters 21 Familien die etwa 100 Räume des wunderschönen Schlosses.

1984 nahm er das Kurhaus von Bad Weilbach, nahe Frankfurt gelegen, in Angriff und wandelte es in das so genannte Palais Weilbach um. Vor mehr als 150 Jahren kurten dort die Rothschilds und Johann Wolfgang von Goethe. Von dem Hauptgebäude standen nur noch die Außenmauern, deshalb war die Integration von 47 Eigentumswohnungen sehr leicht möglich. Galerielösungen schufen ein besonderes Ambiente und verstärkten das schlossartige Wohngefühl auch in den Apartments. Am 2.2.2012 schrieb ein Bewohner beeindruckt:“ Lieber Prof. Schilke, vielen Dank, dass Sie uns die Gelegenheit erschaffen haben, an solch einem schönen Ort zu wohnen!“

1985 erwarb unser Vater Schloss Allner nahe Bonn. Auch diese barocke Anlage, deren Ursprung bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, war zuvor dem Vandalismus preisgegeben. In das damals unbewohnte Schloss wurden 47 Eigentumswohnungen integriert, und nach einer umfassenden Sanierung und Umwandlung dient es heute schlossbegeisterten Eigentümern als repräsentativer Wohnsitz.

Mit dem Erweb von Schloss Schaumburg an der Lahn und dem Versuch, den Waldecker Hof in ein Golf- und Jagdhotel umzubauen, endete die knapp zehnjährige Bauphase. Unser Vater geriet in den Strudel des Zusammenbruchs seiner Hausbank, der BRZ, und verlor sein Vermögen.

Trotzdem, die Sanierung und Umwandlung der damals völlig ma­roden fünf Schlossanlagen Schwindegg, Possenhofen, Weyhern, Weilbach und Allner in so ge­nannte Kondominien waren eine großartige Lebensleistung unser­es Vaters.

Das abrupte Ende der Bauphase hat unseren Vater psychisch sehr getroffen, doch aus dem erzwungenen Rückzug entstand bereits 1989 Medizin+Kunst, ein Ärztemagazin, das sich mit den beiden vorgenannten Thematiken beschäftigt. Das Journal wurde auch finanziell zu einer Erfolgsgeschichte, denn unser Vater besitzt die besondere Gabe, sich im Leben immer wieder neu zu erfinden.

Einmal im Jahr wurden in Medizin+Kunst die renommiertesten bundesdeutschen Ärzte publiziert, mit Nennung der entsprechenden Namen auf dem jeweiligen Fachgebiet als eine besondere Ehrung für Ordinarien. Gleiches galt für die Veröffentlichung der 100 bedeutendsten Kunstschaffenden weltweit in den Bereichen Malerei, Bildhauerei und Fotografie.

Unter den Blickpunkten der Ethik, der Gestaltungsvisualität und der Liebe zum Detail wurden in jedem Jahr die interessantesten Pharmaanzeigen ebenso wie die praktikabelsten Darreichungs-, Applikations- und Anwendungsformen auf dem Arzneimittelsektor ausgezeichnet, wählte Medizin+Kunst die überzeugendsten Werbestrategien und Medienin­itiativen auf dem Pharmasektor aus und schuf damit ein echtes Podium für Produktmanager, Designer und Werbestrategen, die den Arzt als Nutzer ihrer Botschaft sehen. Unser Vater ist überzeugt, dass  Arzneimittelwerbung zu den kreativsten Herausforderungen auf dem Gebiet der Kommunikation zählt und dass dem Pluralismus der Veräußerlichung nur ethische Grenzen gesetzt werden dürfen.

Im Bereich der Kunst wurde häufig bei den Veröffentlichungen die Verbindung zur Medizin in den Mittelpunkt des Interesses gestellt; trotzdem fanden ständig wichtige Maler und Bildhauer Eingang in das Magazin, wenn sie ihm interessant erschienen. Auf Grund seiner Bereitschaft, für vieles offen zu sein, blieb der Pluralismus in Medizin+Kunst immer gewahrt, war die Vielfalt kaum zu bändigen.

Einen wichtigen Schwerpunkt in Medizin+Kunst nahmen die Porträts herausragender Mediziner ein. Sich mit renommierten Persönlichkeiten zu beschäftigen, ihr durchaus interessantes Leben auf den unterschiedlichsten Gebieten zu beleuchten, war ihm ein besonderes Anliegen.

Eine weitere essentielle Thematik bestand in der viel zu frühen Emeritierung herausragender Ordinarien in der BRD.  Während in den USA Professoren ein Leben lang an den Universitäten beheimatet bleiben, forschen und lehren dürfen, werden sie bei uns mit 65 Jahren in den Ruhestand geschickt, obwohl sie noch Jahre ihr herausragendes Wissen den jeweiligen Lehrstühlen zur Verfügung stellen könnten. Dass hier ein Umdenken stattfinden muss, ist dringend geboten.

Bereits in den 90er Jahren schrieb unser Vater zahlreiche Bücher – die wichtigsten waren Eli­sabeth und Ludwig II. im Spiegel von Medizin und Kunst, Malerei Heute und Schlösser als Lebensräume der Gegenwart. Er wurde auch zum Herausgeber von Sexualmedizin für den Arzt, das ein knappes Jahrzehnt in unserem Verlag erschien und als wichtiges Medium auf diesem Gebiet galt. Insgesamt umfasste die publizistische Seite unseres Vaters 25 Jahre und war damit die längste in seinem bisherigen beruflichen Leben.

Als Fazit noch ein kurzes Resümee mit einem Blick in die Zukunft. Natürlich standen unserem Vater bei der Verwirklichung seiner beruflichen Herausforderungen zahlreiche Personen zur Seite; ohne sie wäre die Bewältigung der oftmals sehr schwierigen Aufgaben gar nicht möglich gewesen. Sie werden ihre Bemühungen und ihr Engagement dort wieder erkennen, wo sie sich verwirklichen konnten. Wir wollen allerdings zwei Personen erwähnen, ohne deren Mitwirkung vieles weit schwieriger gewesen wäre.  Da war einmal unsere Mutter Gertrud, die wie ein Fels in der Brandung seine künstlerischen Ambitionen und Schlossaktivitäten begleitete, sowie seine zweite Ehefrau Elke, die seit 28 Jahren mit großer Hingabe sein Leben teilt und die kaufmännische Seite des Verlags – im wahrsten Sinne des Wortes –  entscheidend bereichert.

      
Was er in Zukunft machen wird, darüber ist er sich heute nicht im Klaren. Ob er sich bei der Deutschen Eliteakademie, die er mitbegründet hat, noch intensiver einbringt oder Medizin+Kunst weiterhin publiziert, glaubt er zumindest im Moment nicht zu wissen. Beruflich sich völlig zurückzuziehen, um möglicherweise Golf zu spielen, erscheint ihm eher unrealistisch, auch wenn sein Golf-Besteck  seit Jahren unbenutzt an der Bücherwand lehnt und auf  Benutzung wartet. Ob er sich in Malerei und Bildhauerei als Kunstschaffender noch einmal neu verwirklichen will, ist eher unwahrscheinlich, auch wenn wir es nicht völlig ausschließen wollen. Es gibt für ihn durchaus noch einiges Wichtiges zu tun,  speziell auf den Gebieten, die er bis dato wenig oder gar nicht beachtet hat. Auch die Kollektivierung des bisher Erreichten würde ihn zumindest einige Jahre beschäftigen. Gleiches gilt für einen neuen schriftstellerischen Ansatz. Themen gäbe es hier genug, die er aufgreifen könnte.

Den Originalartikel aus Medizin + Kunst 4/2014 Seiten 54ff. finden Sie als PDF hier.